Jetzt aber mal Schluss mit Harmoniesucht. Ich will da mal klar für mehr Mut zum Dissens plädieren. In vielen Unternehmen herrscht da ein falsch verstandener „Schmusekurs“, bei dem kreative, disruptive und erfrischend, radikale Idee leider sofort unterdrückt werden. Konstruktive Kritik, damit verbundene Disharmonie, offene Auseinandersetzung und selbstbewusste Ideenverteidigung gehen leider verloren und sind derzeit äusserst unpopular.
Woher kommt das? Alex F. Osborn, das „O“ in BBDO und geistiger Vater des Brainstormings, wird oft missverstanden.1948 veröffentlichte er in seinem Buch „Your Creative Power“ Erfolgsrezepte seiner Ideenfindung. Entstanden in den realen Zeiten von „Mad Man“, den 40ern und 50ern, werden Osborn´s vier Prinzipien des Brainstormings noch heute unermüdlich zitiert und schmücken so manchen Konferenzraum: 1. No criticism of ideas, 2. Go for large quantities of ideas 3. Build on each others ideas, 4. Encourage wild and exaggerated ideas.
Angst vor Regel Nummer 1: Doch Regel Nummer 1 - „Kritisieren nicht erlaubt” - führt in Brainstormings immer wieder zu Missverständnissen. Es gibt Teilnehmer, die haben sogar Angst davor, mit einer unbedachten Bemerkung gegen diese Regel zu verstoßen und sind daher während des gesamten Meetings einfach gehemmt.. Damit jede Idee zählt, werden in Kreativsessions die Samthandschuhe ausgepackt. Unter dem Motto des `Brainstormings´ wird für jeden Gedankenfetzen Interesse geheuchelt. Aufgesetzte `Gute-Laune-Parolen´ unterdrücken qualifizierte Denke und `In-Watte-gepackte´ Meeting entwickelt sich zum Ideengrab.
Harmoniesucht ist der Tod von Kreativität: Mann muss einfach mal aussprechen, was ausgesprochen werden muss: Bitte Schluss mit dem seit Jahrzenten propagierten Schmusekurs und Bitte mehr Mut zu Dissens. Statt Harmoniesucht sollten wir wieder konstruktive Kritik fördern. Lernen, wie man Dissens moderiert und Ideen selbstbewusst vor anderen verteidigt.
Dissens stimuliert nachweislich Ideen. An der University of California hat der Psychologe Prof. Charlan Nemeth in einer empirischen Studie 2003 genau diesen Aspekt untersucht. Er teilte 265 Studenten in unterschiedliche Teams ein und ließ sie unter verschiedenen Bedingungen Ideen erarbeiten. Die Gruppen bekamen verschiedene Regeln. Einige durften ihre Ideen debattieren und kommentieren. Andere hielten sich strickt an die Regel „Do not criticize“. Nemeth fand heraus, dass Dissens wie ein Katalysator und Stimulator für neue Ideen wirkt. „Maybe debate is going to be less pleasant, but it will always be more productive. True creativity requires some trade-offs“.
Dissens als konstruktiver Stimulator: Pixar ist Vorreiter moderner Kreativität. Mitbegründer und Präsident der Studios, Ed Catmull, ist verantwortlich für die Prinzipien und die Arbeitskultur, die diese Kreativität möglich macht. Eine seiner wichtigsten Regeln ist der konstruktive Austausch unfertiger Ideen. Catmull sieht darin vor allem drei Vorteile: 1. Haben die Leute ihre anfängliche Scheu vor der Präsentation unfertiger Arbeiten überwunden, sind sie nachher umso kreativer. 2. Kreative können wichtige Aspekte im Beisein aller ansprechen. 3. Menschen lernen voneinander und inspirieren sich gegenseitig.
Tipps für´s Brainstorming
1. Stimuliere: Ziel ist es, möglichst vielen Ideen – abseits des Erwartbaren - zu erarbeiten.
2. Kritisiere: Rege eine konstruktive und positive Debatte an.
3. Zeige Respekt: Anerkenne den Mut und das Engagement anderer, Ideen zu nennen.
4. Nutze das Potential: Baue die Ideen anderer aus.
5. Lass das Team nicht allein: Effiziente Brainstormings werden von einem sog. Facilitator moderiert.
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