Es gehört zum guten Ton, Kreativität gut zu finden. Immer und überall werden wir aufgefordert, „out of the box“ oder querzudenken. Kreativität ist zum „must have“ geworden und hat den gewissen „Coolness-Faktor“. Wer möchte nicht kreativ sein. Es mangelt auch nicht an neuen Ideen oder gar guten neuen Ideen. Einer der Vorteile von Globalisierung, Digitalisierung und Social Media ist, dass wir aus dem Vollen schöpfen, quer über alle Kulturen hinweg kombinieren können und uns mehr kreatives Potential zur Verfügung steht, denn je.
Doch warum sieht die Realität dann so unkreativ aus? Warum werden so wenige kreative Ideen umgesetzt? Warum setzten sich neuen Ideen kaum durch? Genauer betrachtet, sind neue Ideen und kreative Ansätze doch eher hinderlich. Genauer betrachtet, verursachen unkonventionelle Lösungsvorschläge eher Unsicherheit und Irritation. Genauer betrachtet, vermeiden wir doch alles, was nach mehr Arbeit aussieht und kompliziert werden könnte. Passt Kreativität überhaupt zu uns und unserem stressigen Alltag?
Genauer hingesehen haben Jennifer S. Mueller, Shimul Melwani und Jack A.Goncalo. Die Soziologen konnten in zwei Studien sehr genau nachweisen, dass Menschen zwar nach Kreativität streben und sich neue Ideen wünschen, aber doch gleichzeitig Angst und Vorbehalte vor Neuem haben.
Auslöser für diese Reaktion sind, laut ihrer Recherche, zwei Faktoren: 1. Menschen lehnen Kreativität ab, wenn sie sie in irgendeiner Weise als riskant empfinden. Die Menschen innewohnende Risikoaversion hindert sie, sich auf neues Terrain zu begeben. 2. Die meisten Menschen, und vor allem Manager, haben nur wenige Kriterien, um Kreativität zu erkennen und zu beurteilen. Ihre Ablehnung speist sich aus einer Unsicherheit, die Qualität von Innovation oder neuer Ideen einschätzen zu können.
Diese beiden Faktoren führen zu einem Paradoxon: obwohl wir nach neuen Ideen suchen und auch abhängig von neuen Lösungsmöglichkeiten sind, stehen wir doch grundsätzlich Neuem kritisch gegenüber und lehnen dieses zunächst ab.
“Ideas demand change. Most people, most of the time, don’t like change. (Scott Berkun)
Hinzu kommt, dass der durchschnittliche Manager viele Fähigkeiten besitzt, die dem eines Kreativen vollkommen entgegenstehen. Kreative sind risikobereit, sperrig, unkonventionell, starrsinnig bis stur und flexibel bis flatterhaft.
Kriterien, mit denen man sich in einem Unternehmen und im Team nicht unbedingt Freunde macht. Und die die Zusammenarbeit nicht erleichtern. Mitarbeiter in Unternehmen sind dagegen aufgerufen, Dissens möglichst zu vermeiden, sich in die Unternehmenskultur unkompliziert einzufügen, effiziente und standardisierte Wegen zu nutzen und nach unkomplizierten und risikolosen Lösungswegen zu suchen.
Wer also Kreativität fördern will, der sollte diese unterschiedlichen Welten berücksichtigen. Ein Streben nach Kreativität ist ein nobles Ziel, doch muss das „Neue“ auch zu unserer Realität und unserem Alltag passen.
Agenturen können ihren Kunden helfen, Kreativität nicht nur einzufordern, sondern auch neue Ideen anzunehmen und umzusetzen. Hier einige Tipps, um die Angst vor Neuem zu nehmen:
1. Definieren Sie Kriterien für Kreativität. Helfen Sie Ihrem Team, Innovation zu identifizieren und die Qualität neuer Ideen zu erkennen.
2. Benennen Sie Gatekeeper in Ihrem Team. Finden Sie Kollegen, die risikobereiter sind als andere, und geben Sie diesen den klaren Auftrag, Innovationen zu begleiten und neue Ideen vor Bedenkenträgern zu verteidigen.
3. Testen Sie. Ermöglichen Sie sog. „Sandbox“-Projekte. Testprojekte, die mit Ressourcen und die Freiheiten ausgestattet sind, um Neues auszuprobieren.
4. Minimieren Sie Risiken, durch die Planung unterschiedlicher Phasen und „Zündstufen“. An definierten Punkten kann immer noch die Reißleine gezogen werden.
5. Rufen Sie zum kontrollierten Ungehorsam auf. Nutzen Sie Workshops und Kreativsessions, um Regeln bewusst zu brechen und konstruktiven Dissens zu fördern.
6. Erhöhen Sie die Diversität Ihres Teams. Je mehr unterschiedliche Kollegen zusammenarbeiten, umso unterschiedlicher sind die Perspektiven, die in ein Projekt einfließen. Risikofaktoren werden von unterschiedlichen Seiten beleuchtet und damit auch reduziert.
Und woran erkennt man kreative Ideen? Hierzu eine kleine Checkliste. Eine kreative Idee ist:
- Disruptiv, aber nicht destruktiv.
- Überraschend, aber nicht erschreckend.
- Irritierend, aber nicht verwirrend.
- Inspirierend, aber nicht ablenkend.
- Einzigartig, aber getestet.
- Kurzfristig effektiv und langfristig wirkungsvoll.
- Einfach zu verstehen und leicht zu überprüfen.
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