10 September, 2012

Totgesagte leben länger. Es lebe das Brainstorming.

Wie oft wurde es nicht schon totgesagt. Das Brainstorming. Die beliebteste Kreativitätstechnik hat viele Kritiker und es gibt gewichtige Argumente, die gegen diese Form der Ideenfindung sprechen. Und doch sitzen wir gerne mit ein paar Freunden bei einer Tasse Kaffee zusammen und freuen uns, dass wir ein paar weitere Schultern gefunden haben, die mit uns die Aufgabe schultern. Aber mal ehrlich: wie effizient sind solche Meetings wirklich? Außer, dass man mal wieder viel zu viel Kaffee getrunken hat, kommt oft wenig rum. 

Die Kritik an Alex Osborns Kreativtechnik startete früh. Bereits 1958 wurde die erste Studie veröffentlicht (sog. Yale Studie von Taylor, Berry & Block), die den Beweis antrat, dass Gruppenbrainstormings alles andere als effizient sind. Personen, die alleine für sich nachdenken und sich dementsprechend besser konzentrieren können, sind weit besser und auch originärer in der Ideenfindung. In zahlreichen weiteren Studien wurde dargelegt, dass Brainstormings vor allem eine Bühne für Extrovertierte und Menschen mit großem Ego seien, dass Introvertierte unterdrückt würden und allein aus diesem Grund nur wenig wirklich gute Ideen entstünden. Andere wiederum wiesen darauf hin, dass es in Brainstormings früh zu einer Fixierung auf die erste Idee kommt.
Gefällt der Gruppe schon zu Beginn des Brainstormings eine bestimmte Idee, so bleibt diese während des gesamten Meetings daran haften, kommt immer wieder darauf zurück und ist kaum fähig, weiter breit und offen zu denken. Bis hin zu den Kritikern des sog. „GroupThink“, die anhand politischer Meinungsfindung analysieren, dass Gruppen ein überproportionales Harmoniebedürfnis haben und daher individuelle Gedanken kollektiv unterdrücken. Übertragen auf Brainstormings bedeutet dies, dass man „um des Friedens willen“ im Team keine provokanten Ideen äußert und extreme, disruptive Ideen beiseiteschiebt, nur um die Harmonie in der Gruppe nicht zu gefährden oder gar Disput aufkommen zu lassen.

Alles gute Gründe, warum man eigentlich Brainstormings aus Unternehmen und Agenturen verbannen sollte.

Und doch lieben wir diese Technik und laden immer wieder zu Brainstormings ein. Daher können wir dankbar für die Rehabilitierung durch Scott G. Isaksen sein, der 1998 eine Metastudie veröffentlichte, in der er 90 Studien seit 1958 analysierte und den jeweiligen Vorwürfen gegenüber der Ineffizienz von Brainstormings nachging. Isaksen revidiert darin das überaus negative Urteil allein aufgrund der Tatsache, dass viele Studien Kreativmeetings als Grundlage ihrer Untersuchung wählten, die nicht den Regeln von Osborn entsprechen. Sein Urteil lässt also hoffen. Ein Teil der Kritik ist unberechtigt bzw. basiert auf einer falschen Datenerhebung, denn Osborn stellte in den 40er und 50ern klare Regeln für seine Methode auf. Und diese wurden bis heute weiterentwickelt, um effiziente Brainstormings zu ermöglichen.

Brainstorming ist keine Kaffeekränzchen oder gar einfache Meetings, in denen sich ein paar Leute gemeinsam über ein Problem beugen. Gute Brainstormings müssen straff und konsequent von einem sog. Facilitator geführt werden. Einer Person, die Organisator, Stimulator und Mentor in einer Person ist. Gute Brainstormings sind strukturiert. In mindestens drei Phasen: u.a. Norming, Storming und Forming. Zu Beginn eines Brainstormings, in der sog. „Norming-Phase“, wird die Aufgabenstellung klar und deutlich dargestellt. Jedem Teilnehmer muss vermittelt werden, was Ziel dieser Kreativitätssitzung ist und was konkret von ihm erwartet wird. Viele sog. Brainstormings scheitern allein schon an dieser ersten Übung.

In der „Storming-Phase“ wird die Teilnehmergruppe idealerweise in Kleinteams unterteilt und mit unterschiedlichen Aufgaben betraut. Nur damit ist ein quantitativ effizienter Output zu gewährleisten. Durch Kleinteams, die parallel mit verschiedenen Kreativitätstechniken arbeiten, verxfacht sich die Anzahl der Ideen. Darüber hinaus bieten dies Kleinteams von nur zwei oder drei Personen den sog. „Big Egos“ keinerlei Bühne für ihre Extrovertiertheit. Während der „Storming-Phase“ hat der Facilitator konstant die Aufgabe alle Teams zu motivieren, stimulieren, positive Rückkopplung zu geben und mit unterschiedlichen Materialen und Informationen anzuregen. Es liegt in seiner Verantwortung, dass der Gedankenstrom nicht abreißt.

Parallel dazu erfolgt eine genaue Dokumentation aller geäußerter Assoziationen und Ideen. Die Gruppe erhält durch die im Raum sichtbar wachsende Anzahl an Ideen Zuversicht in die Effizienz und Produktivität ihrer Arbeit. Sie fühlt sich bestätigt und angetrieben, weiterhin Masse zu liefern. Denn Quantität ist das oberste Ziel jeder Storming-Phase. Die qualifizierende Auswahl geschieht in der anschließenden und abschließenden „Forming-Phase“. Auch hier hat der Facilitator steuernde Funktion, denn er lädt die Teilnehmer ein, ihre Meinung zu den gebrainstormten Ideen abzugeben – entlang eines Filters und definierter Kriterien.

Erst nach dieser letzten Übung geht ein erfolgreiches Brainstorming zu Ende. Für professionelle Facilitator geht die Arbeit jedoch weiter. Sie begleiten den Auftraggeber in der Dokumentation und Auswertung des gesamten Meetings, sowie der Identifizierung und Ausreifung der besten Ideen. Lang lebe das Brainstorming.

Tipps für Brainstormings

1.    Setzen Sie einen geschulten Facilitator für Ihr Brainstorming ein.
2.    Teilen Sie Ihr Brainstorming in drei Phasen: Norming, Storming, Forming.
3.    Norming: Klären Sie die Aufgabenstellung von Anfang an. Jeder Teilnehmer muss wissen, was von ihm erwartet wird.
4.    Storming: Arbeiten Sie in parallel in Kleingruppen und stimulieren Sie diese kleinen Gruppen in unterschiedlichen Kreativübungen.
5.    Forming: benennen Sie klare Regeln, nach denen Ideen am Ende beurteilt werden.
6.    Dokumentieren Sie alles – für alle sichtbar im Raum.

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